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H.
J. Mulliner
Der richtige Name des Unternehmens lautete H.J. Mulliner & Co. und
der Karosseriebaubetrieb ist exakt so wie das 20. Jahrhundert. Im 19.
Jahrhundert gab es eine Firma namens Mulliners of Northampton und eine
weitere, die in Liverpool ansssig war, und als A.G. Mulliner firmierte.
Beide stellten sich beizeiten auf zuknftige Vernderungen ein und
schlossen sich zu einer neuen Gesellschaft zusammen. Diese trug bei der
Grndung den Namen Mulliner London Ltd. Und der Geschftsbereich sollte
den Karosseriebau fr die damals neuen Motorwagen einschlieen.
Exakt diesen Geschftsbereich bernahm Henry Jervis Mulliner. Er
etablierte sich mit dem neuen Betrieb H.J. Mulliner & Co. in Londons
Stadtteil Mayfair, wo in der Brooke Street eigens ein neues Fabrikgebude
errichtet worden war. Damit befand er sich in unmittelbarer Nhe zu den
vornehmen Wohnvierteln seiner Kundschaft, den Mitgliedern der wohlhabenden
Kreise in der Hauptstadt des Britische Empire, die sich Anschaffung und
Unterhalt eines Automobils leisten konnten. Gngige Praxis war die
Lieferung der Autos ab Werk als Chassis mit Motor. Weder Karosserie noch
Interieur waren vorhanden, oft gehrte nicht einmal Bereifung zum
Lieferumfang. In enger Abstimmung mit den Wnschen des Kunden wurde fr
jeden Wagen ein Blechkleid gefertigt, das bis ins Detail der Wunschliste
des Kunden entsprach.
Es ist nicht zu leugnen, da zu jener Zeit die englische
Automobil-Industrie noch in den Kinderschuhen steckte. Im Vereinigten
Knigreich hatten teils absurde Manahmen der Legislative eine
Automobilfertigung mit nennenswerten Produktionsziffern regelrecht
blockiert. Folglich wurden leistungsfhige Automobile zu Anfang des
Jahrhunderts vorwiegend aus der Produktion auf dem Kontinent nach
Grobritannien importiert. Unwidersprochen zhlten erst die soliden und
sorgsam konstruierten Automobile, die seit 1904 von Rolls-Royce angeboten
wurden zu den frhesten Produkten aus englischer Herstellung, die in
diesem Markt berhaupt als wettbewerbsfhig angesehen werden knnen.

Rolls-Royce Silver Ghost, 1922, 42YG. H.J. Mulliner Tourer
Bei H.J. Mulliner entstanden Aufbauten fr nahezu alle bekannten
Automarken und es war nur logisch, da frhe Kontakte mit Rolls-Royce
resultierten. Welche Wertschtzung die hochklassige Arbeitsausfhrung
geno, zeigt sich nicht zuletzt daran, da mit Charles S. Rolls einer
der Firmengrnder und Namensgeber seinen Rolls-Royce Type 70 Ghost bei
H.J. Mulliner karossieren lie. Dabei handelte es sich um eine vom
Rolls-Royce Silver Ghost abgeleitete
Version, deren Motor dank obenliegender Nockenwelle deutlich mehr Leistung
aufwies und bei H.J. Mulliner als Balloon Car ausgefhrt wurde,
d.h. als Zweisitzer mit Stauraum hinter der Sitzbank fr den Transport
eines Heiluftballons.
Zunehmender Erfolg und steigende Nachfrage veranlaten eine
betrchtliche Erweiterung des Betriebes. Zustzliche Werkrume in
Londons Stadtteil Chiswick wurden belegt und in der Grafton Street im
vornehmen Mayfair entstanden elegante Ausstellungsrume. Indessen leitete
H.J. Mulliner seine Firma nur bis kurz vor Ausbruch des I. Weltkrieges.
Wegen gesundheitlicher Probleme ging er in den Ruhestand (den er
fast ein halbes Jahrhundert geno, bevor er ber 90-jhrig verstarb!),
nachdem er sein Unternehmen verkauft hatte an die alteingesessenen
Karossiers John Croall & Son mit Sitz in Edinburgh. Die neuen
Eigentmer behielten den Firmennamen unverndert bei und sorgten sogar
fr eine Beibehaltung familirer Bindung, indem sie F. Piesse, einen
Schwager von H.J. Mulliner, als Direktor einsetzten.
Nach Kriegsende gehrte H.J. Mulliner dank des hohen Standards der
dort przis ausgefhrten Arbeiten zur ganz kleinen Elite unter den
Karossiers, die auerdem Barker einschlo, deren Firmengeschichte mehr
als zweihundert Jahre zurckreichte sowie Hooper, den kniglichen
Hoflieferanten. Diese Anmerkung sollte indessen nicht miverstanden
werden als sei der Standard anderer Karossiers durchweg zweitklassig
gewesen. So geno, um nur ein Beispiel zu nennen, Arthur Mulliner of
Northampton, der wegen der Namenshnlichkeit gelegentlich mit dem
Londoner Betrieb verwechselt wird, hohe Reputation und baute zur vollen
Zufriedenheit von Kunden eine ganze Anzahl von Karosserien fr diverse
Rolls-Royce Modelle.

Rolls-Royce Phantom I, 1927, #124NC H.J. Mulliner Sports Saloon,
Weymann Aufbau
Vorwiegend wurden im Karosseriebau Methoden befolgt, die sich seit der
ra des Kutschenbaus kaum verndert hatten. Ein Holzrahmen diente als
tragendes Element, das mit Aluminiumblechen verkleidet wurde. Aluminium
wurde bevorzugt weniger weil es korrosionsbestndig war, sondern eher,
weil das weiche Material leichter Hand in die gewnschte Form gehmmert
werden konnte und zudem einen Gewichtsvorteil aufwies. Handwerkliche Kunst
auf hohem Niveau war gefordert, wie sie nur gut ausgebildete Fachkrfte
zu leisten vermochte, um den Karosseriekrper auf Ma zu erstellen und
zu sichern, da nichts drhnte oder klapperte. Als die Weymann-Patente
in den Zwanzigern eine Alternative boten, nahm H.J: Mulliner sogenannte
Weymann-Aufbauten ins Programm. Weymanns Methode bestand darin, die
Einzelteile des tragenden Holzrahmens mittels spezieller Elemente ohne
direkten Kontakt zusammenzufgen, diesen dann auszupolstern und als
Auenhaut beschichtete Stoffe oder lackierte Leder aufzubringen. Das
Ergebnis war ein im Vergleich zur Blechbeplankung deutlich leichtere
Karosserie, die zudem nicht zu Rattergeruschen neigte. Allerdings war
die Haltbarkeit nicht von langer Dauer - und wenn Feuchtigkeit erst einmal
Zugang gefunden hatte, verkrzte das die Lebensdauer geradezu
alarmierend. Folglich haben nur sehr wenige Aufbauten nach Weymann-Patent
bis heute berlebt.

Rolls-Royce Wraith, 1939, #WMB64. H.J. Mulliner "High
Vision" Saloon mit Trennscheibe.
Nach der Bltezeit, die der individuellen Karosseriebau in den
dreiiger Jahren erlebt hatte, war es fr H.J. Mulliner nicht einfach,
sich den total vernderten Umstnden anzupassen, wie sie nach dem Ende
des II. Weltkrieges herrschten. Die neue Periode war nmlich geprgt von
der Umstellung bei fast allen Autoherstellern auf Massenproduktion mit
industriell gefertigten Stahlblechkarosserien. Eine nennenswerte Ausnahme
war Daimler, die zum BSA-Konzern gehrten, unter dessen Dach sich Hooper
fand, die wiederum unmittelbar vor dem Krieg den alten Rivalen Barker
bernommen hatten. Die zweite Ausnahme war Rolls-Royce, die den
Rolls-Royce Silver Wraith als Fahrgestell
mit Motor lieferten. Sie boten zwar den neuen Bentley
Mark VI fertig karossiert ab Werk an, der war aber auf Wunsch auch als
Fahrgestell mit Motor zu haben.

Rolls-Royce Silver Wraith 1947, #WTA72, Sedanca de Ville by H.J.
Mulliner
Mit einer Belegschaft von 250 Mitarbeitern, die meisten perfekt
ausgebildete Handwerker fr die Bereiche, die fr den Karosseriebau
mageblich waren, erstellte H.J. Mulliner individuelle Aufbauten in allen
mglichen Variationen von sportlichen Cabriolets bis zu massiven
Limousinen fr vorwiegend zeremonielle Anlsse.
Zu den ungewhnlichsten Auftrgen zhlte der Test der Platten aus
Spezialstahl fr den gepanzerten Rolls-Royce Phantom
IV, den S.E. General Franco in Auftrag gegeben hatte. Auf dem Rckweg
von der Schiebahn, wo verschiedene Ausfhrungen gepanzerter Platten mit
allen mglichen Sorten von Handfeuerwaffen unter Beschu genommen worden
waren geriet der Rolls-Royce in eine Polizeikontrolle, weil in einer
nahegelegenen Stadt ein Besuch von Mitgliedern der kniglichen Familie
anstand. Der mchtige Rolls-Royce wurde ohne Kontrolle durchgewunken.
Ohne Zweifel htte es die Polizei alarmiert, wre sie bei einer
Inspektion des Wagen auf eine ganze Auswahl von Gewehren, Revolvern und
Pistolen gestoen.
Zu einem herausragenden Erfolg fr H.J. Mulliner wurde das zweitrige
Flieheck-Coup, das fr die Sportversion des Bentley
R, den Bentley R Continental, in enger Abstimmung mit Rolls-Royce
entstand. Dieses Modell konnte fr sich in Anspruch nehmen, weltweit der
schnellste viersitzige Sportwagen aus serienmiger Fertigung zu sein.
Dies resultierte nicht zuletzt aus dem leichtgewichtigen Aufbau. Dessen
Styling gelang so famos, da H.J. Mulliner bis auf ganz wenige Ausnahmen
smtliche Bentley R Continental einkleidete.

Bentley S2 Continental, 1961, #BC60LBY. H.J. Mulliner 4 door saloon
"Flying Spur" (Six Light Model)
Als vom Nachfolgemodell Bentley S ebenfalls
eine Version als Continental abgeleitet wurde fr Reisen mit hohem Tempo
auf dem Kontinent, erfuhr das Design nur geringe Modifikationen.
Rolls-Royce zeigte zunchst wenig Begeisterung, als H.J. Mulliner fr
den Bentley S Continental auch eine viertrige Variante vorstellte unter
dem Namen Flying Spur. Die Bezeichnung Flying Spur
(Geflgelter Sporn) ging auf eine Anregung von Direktor Johnstone
zurck, denn der stammte aus dem schottischen Clan, der den geflgelten
Sporn als Helmzier im Wappen fhrte. Rolls-Royce sperrte sich nicht lange
gegen die Idee eines viertrigen Continental. Einige Jahre spter
konnten sogar Rolls-Royce Silver Cloud III
nach Design Flying Spur geordert werden und die Bezeichnung Spur
lebte bei der Silver Spirit-Generation der achtziger Jahre wieder auf, als
die Ausfhrung mit langem Radstand rollte als Rolls-Royce Silver Spur aus
den Werkstoren. Als 1994 schlielich der erste Rolls-Royce mit
turbogeladenem Motor ganz ungewohnte Fahrbereiche zugnglich machte, gab
der Hersteller diesem Modell den Namen Rolls-Royce
Flying Spur.
Fr H.J. Mulliner als unabhngiges Unternehmen war da schon seit
langem die Zeit abgelaufen, denn wirtschaftliches berleben hatte zur
Anlehnung bei einem starken Partner gezwungen. 1959 wurde der Karossier
von Rolls-Royce bernommen. Nur kurze Zeit wurde die
Karosseriebau-Division eigenstndig fortgefhrt, denn bereits Anfang der
sechziger Jahre erfolgte die Zusammenlegung mit Park Ward, die bereits vor
dem II. Weltkrieg unter die Fittiche von Rolls-Royce genommen worden
waren. Von 1961 an fand sich die jetzt als H.J.
Mulliner, Park Ward, spter nur noch als Mulliner Park Ward
firmierende Gruppe in der alten Fabrik in Chiswick, bevor diese 1968
aufgegeben wurde.
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